Startseite › BGH: Wer Chefarztbehandlung vereinbart, hat Anspruch darauf
Wichtiges Urteil für alle Patienten mit Wahlleistung: Wer sich für eine Chefarztbehandlung entschieden hat, besitzt auch einen Anspruch auf diese. Meist geht es bei der Wahlleistung um die Möglichkeit, ...
Der Kläger kam wegen einer Operation an der Hand ins Krankenhaus. Sein Bindegewebe in der Handinnenfläche war erkrankt. Vor Ort untersuchte ihn zunächst der Chefarzt. Anschließend entschloss sich der Kläger, eine Wahlleistungsvereinbarung mit dem Krankenhaus abzuschließen. Darin vereinbart: Die Chefarztbehandlung.
Bei der Operation operierte den Kläger dann jedoch überraschenderweise ein Oberarzt - und dies, ohne dass der Kläger eingewilligt hatte. Das Problem: Nach der OP kam es beim Kläger an der operierten Hand zu großen gesundheitlichen Problemen. Der Patient klagte daraufhin gegen Krankenhaus und Ärzte auf Schmerzensgeld.
Zunächst gaben die Gerichte dem Kläger nicht Recht. Anders nun aber der BGH: Er beruft sich auf die Menschenrechte und sprach dem Patienten Schmerzensgeld zu. Das Gericht meint, dass ein Patient immer einwilligen muss, wenn in seine körperliche Integrität eingegriffen wird. Über diese Entscheidungsfreiheit dürfe sich der Arzt nicht hinwegsetzen.
Der Grund: Wer in einen ärztlichen Heileingriff einwilligt, verzichtet im Umkehrschluss auf den absoluten Schutz des Körpers vor Verletzungen - und nimmt damit auch die Gefahren auf sich, die sich aus OP-Nebenwirkungen ergeben können.
Daraus leiten sich Verhaltenspflichten für den Arzt ab: Er muss besonders sorgfältig behandeln und sich der Einwilligung des Patienten fügen. Erklärt oder vereinbart dieser, er wolle nur vom Chefarzt operiert werden, darf daher auch kein anderer Arzt den Eingriff vornehmen. Andernfalls müsste der Patient rechtzeitig aufgeklärt werden. Fehlt jedoch diese Aufklärung nebst Einwilligung, ist ein Eingriff rechtswidrig.
Das Argument der Vorinstanzen, dass durch eine Chefarzt-OP die gleichen Folgen eingetreten wären, entkräftet nun der BGH. Er meint: Dieses Argument könne nicht entlasten, da sonst das Vertrauen, das Patienten in die ärztliche Zuverlässigkeit setzen, ungeschützt sei.
Außerdem schließe ein Patient eine Wahlleistungsvereinbarung im Vertrauen auf die besonderen Kompetenzen des Chefarztes ab. Dies geschehe eben in der Sorge um die Gesundheit gegen ein zusätzliches Honorar für die Heilbehandlung. Aus diesem Grund muss der Chefarzt persönlich die Operation durchführen.
Im vorliegenden Fall sei das Vertrauen des Klägers, welches dieser in die Wahlleistungsvereinbarung und damit in die besondere Erfahrung und die herausgehobene medizinische Kompetenz des Chefarztes gesetzt hat, enttäuscht worden.
Patienten mit Wahlleistungen können sich künftig auf dieses höchstinstanzliche Urteil beziehen. Es stellt klar: Wird der Chefarzt gebucht, muss er auch behandeln. Andernfalls kann dem Patienten ein Schmerzensgeld zustehen.
Haben Sie Fragen zu dem Urteil? Sprechen Sie uns an.
BGH, Urteil vom 19. Juli 2016, Az.: VI ZR 75/15
Redaktion Medizinrecht
Rechtsanwalt Joachim Laux: Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht. Gründer und Partner der Kanzlei Laux Rechtsanwälte, Berlin. Spezialisiert auf Behandlungsfehler, Ärztepfusch, Schadensrecht bei schweren und schwersten Unfällen sowie Zahlungs-/Leistungsverweigerungen von Versicherungen. Bekannt aus zahlreichen TV-Interviews. Kontakt aufnehmen