Startseite › Der Tod ist umsonst – Behandlungsfehler mit Todesfolge und hieraus resultierende Schmerzensgeldansprüche
Auch bei einem vermeintlich medizinisch sachkundigen Patienten, welcher dem Arzt gegenüber eine selbstgestellte Diagnose und konkrete Medikationswünsche äußert, muss der Arzt nach sorgfältiger Anamnese eigenverantwortlich sämtliche objektiven Befunde erheben.
Dabei hat er alle Auffälligkeiten zur Kenntnis zu nehmen. Sofern diese nicht sein medizinisches Fachgebiet betreffen, muss er einen Arzt einer anderen Fachrichtung hinzuziehen. Dies hat das Oberlandesgericht Koblenz in einer Entscheidung vom 30. Januar 2012 postuliert.
Im konkreten Fall hatten die Ehefrau und die beiden Kinder eines an einem Herzinfarkt verstorbenen Rettungssanitäters gegen einen in einer Klinik angestellten Orthopäden auf Schadenersatz geklagt, in welche der Rettungssanitäter mit außergewöhnlich starken Schmerzen in der linken Körperseite als Notfall-Patient eingeliefert worden war.
Der Rettungssanitäter hatte bei seiner Einlieferung den Verdacht geäußert, dass die Beschwerden - ähnlich wie acht Monate zuvor - auf der Einklemmung eines Nervs im Bereich der Halswirbelsäule beruhten. Zudem berichtete er, dass die Schmerzen "internistisch abgeklärt" seien. Damit meinte er eine internistische Untersuchung im Vorjahr.
Der Orthopäde hingegen ging ohne weitere Nachfrage davon aus, dass diese Untersuchung am Tag der Einlieferung erfolgt sei. Er diagnostizierte eine Wirbelblockade und Muskelverspannung und entließ den Patienten nach Hause, wo er wenige Stunden später verstarb.
Das Oberlandesgericht führt in seiner Entscheidung aus, dass der beklagte Orthopäde verpflichtet gewesen sei, den Patienten zu fragen, wann die akuten Schmerzen an jenem Tag erstmals aufgetreten waren. Er hätte dann erfahren, dass die Schmerzsymptomatik erstmals vor einer Stunde aufgetreten war und daher eine internistische Abklärung dieses Befundes nicht erfolgt sein konnte.
Darüber hinaus hätte er erkennen können, dass die erst eine Stunde zuvor aufgetretenen Schmerzen nicht mit der acht Monate zuvor aufgetretenen Symptomatik verbunden waren und daher nicht ohne Weiteres auf ein orthopädisches Problem schließen ließen. Er hätte internistisch abklären müssen. Dass er dies nicht getan hatte, wertete das Oberlandesgericht als Befunderhebungsfehler mit der Folge einer für die Kläger günstigen Beweislastverteilung und wies die Berufung des Orthopäden gegen das erstinstanzliche Urteil zurück.
Obwohl der Tod eines Patienten sicherlich die tragischste Folge eines Behandlungsfehlers ist, werden in solchen Fällen mit Todesfolge – anders als ein rechtlicher Laie vermuten wird – nicht besonders hohe Schmerzensgelder ausgesprochen.
Im Gegenteil: Der Tod wird nach der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers überhaupt nicht entschädigt. Vielmehr kommt es in solchen Fällen allein auf die durch den Behandlungsfehler verursachte und dem Tod vorangegangene Körperverletzung an.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in Fällen, in denen der Geschädigte an den Verletzungsfolgen bzw. an den Folgen eines Behandlungsfehlers verstirbt, ist die Art und Schwere der Verletzung, das hierdurch bewirkte Leiden und dessen Wahrnehmung durch den Verletzten wie auch der Zeitraum zwischen Verletzung und Eintritt des Todes zu berücksichtigen.
In einem Fall, in dem die Verstorbene nach einer fehlerhaften Narkose mit anschließenden schweren Komplikationen unter teilweisem Verlust der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit bis zu ihrem Tod noch zehn Tage im Koma verbrachte, erachtete das Landgericht Bochum in einem am 27. Januar 2010 entschiedenen Fall ein Schmerzensgeld von 20.000,00 € für angemessen und ausreichend.
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