Startseite › Folgenschweres Drama im Kreißsaal
Hauptsache gesund – der Wunsch eines jeden Elternpaares, wenn es mit der glücklichen Nachricht einer Schwangerschaft überrascht wird. Besonders schlimm, wenn es dann auf Grund von eigentlich vermeidbaren Ärztefehlern zu einer Schädigung des Kindes während der Geburt – einem sogenannten Geburtsschaden – kommt.
Einen besonders tragischen Fall hat das OLG Hamm mit Urteil vom 4. April 2017 – 26 U 88/16 – verhandelt. In diesem machte die Kindsmutter alles richtig – nur leider wurde ihr Vertrauen in die Mediziner auf das bitterste enttäuscht.
Die Schwangere sorgte sich wegen schwächer werdender Kindsbewegungen und wurde deshalb im beklagten Krankenhaus stationär aufgenommen. Ab 23:13 Uhr wurde sie im Kreißsaal von einem Assistenzarzt, der Oberärztin und von einer Hebamme betreut. Zwischen 23:15 Uhr und 23:50 Uhr wurde ein CTG geschrieben, die Baseline betrug 130 bei einer Oszillation von unter 10 Schlägen pro Minute. Man versuchte es zunächst mit einer Lageveränderung und einem sog. Weckversuch. Auch führte die Oberärztin um 23:35 Uhr eine Dopplersonographie durch.
Deutlich nach Mitternacht um 0:45 Uhr wurde einmalig ein Vaginalbefund erhoben: Der Muttermund war um 2 cm geweitet. Ein weiteres CTG in der Zeit von 0:57 Uhr bis 1:40 Uhr ergab eine Baseline von 130 - 140 mit eingeschränkter Oszillation unter 10 Schlägen je Minute bei 3 Wehen in 12- bzw. 15-minütigem Abstand, wobei es bei einer Wehe um 1:07 Uhr zu einer angedeuteten Dezeleration kam.
Der Assistenzarzt notierte um 1:45 Uhr das CTG mit dem Vermerk "gesehen" und ordnete erneute Kontrolle in 2 Stunden an. Das weitere CTG in dem Zeitraum von 3:34 Uhr bis 3:46 Uhr zeigte auffällige Herztöne (Dezeleration vom Typ Dip II mit weiter eingeengter bis silenter Oszillation).
Bei Wehen um 4:12 Uhr und 4:17 Uhr gab es jeweils absinkende Herzfrequenzen (Dip II - Dezelerationen), einem deutlichen Zeichen für Sauerstoffunterversorgung.
Daraufhin entschlossen sich die Geburtshelfer um 4:20 Uhr zur Sektio, die Mutter wurde entsprechend aufgeklärt. Die Spinalanästhesie erfolgte um 4:45 Uhr. Das Kind wurde um 5:03 Uhr mit sehr straffer Nabelschnur-Umschlingung entbunden. Die klinischen Werte des Neugeborenen waren extrem schlecht (Apgar 0-4-6, pH-Wert 6,88, Base Excess 19,4).
Das Kind leidet an schwersten Hirnschädigungen und wird ein lebenslanger Pflegefall bleiben (hypoxischer Hirnschaden). Die Folgen sind allgemeine Entwicklungsstörung mit Einschränkungen für Intellekt, Sprache und Motorik sowie eine Epilepsie.
Ein Klageverfahren wurde, wie so oft bei Personengroßschäden wegen der Mauertaktik der Versicherungen, leider unumgänglich. Vertreten durch seine Eltern klagte das Kind gegen das Krankenhaus und die Geburtshelfer auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Das Landgericht Paderborn als Eingangsinstanz hatte dem Kind aber nur ein Schmerzensgeld von 175.000 Euro zugesprochen.
Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm hob das Schmerzensgeld auf 250.000 Euro deutlich an. Für die Richter stand fest: Den beklagten Ärzten unterliefen bei der Geburt mehrere Behandlungsfehler.
Diese Kette von Behandlungsfehlern ist als grob zu bewerten. Die Geburtshelfer und die Klinik haften in vollem Umfang für die Schäden. Ganz wichtig dabei: Der 10-jährige Kläger und seine Eltern profitieren bei derartigem Ärztepfusch (grober Behandlungsfehler) von der Beweislastumkehr. Das ist eine besonders günstige Prozesslage, denn somit muss nicht - wie sonst üblich im Arzthaftungsrecht - die Patientenseite Fehler und Folgen beweisen, sondern die Arztseite hat die schwere Last und muss Gegenbeweise vorbringen.
Beim Schmerzensgeld hat das OLG die schweren gesundheitlichen Nachteile des Kindes berücksichtigt. Der aktuell 10-jährige Kläger wird in seiner Entwicklung allenfalls die Stufe eines sieben- bis achtjährigen Kindes erreichen. Er wird nie allein leben können und später voraussichtlich auch merken, dass er im Vergleich zu anderen Menschen ein geistiges Defizit hat. Das führt - so bestätigte es hier auch der gerichtliche Sachverständige - zu einem besonderen Leidensdruck.
Bei auffälligen Herztönen müssen Ärzte die Geburtsabläufe mit Dauer-CTG überwachen. Nach einem derart pathologischen CTG müssen die Ärzte einen Notkaiserschnitt machen. Unterblieben diese Maßnahmen, so liegt ein grober Behandlungsfehler vor.
Das CTG (Kardiotokografie) ist ein Verfahren zur gleichzeitigen Messung der Herzschlagfrequenz des ungeborenen Kindes und der Wehentätigkeit bei der werdenden Mutter.
Die Auswertung ist nicht ganz leicht. Viele Faktoren bei Kind und Mutter spielen dabei eine Rolle. Ein pathologisches CTG soll bei folgenden Fällen vorliegen:
Gründe für einen Notkaiserschnitt sind zum Beispiel eine vorzeitige Ablösung des Mutterkuchens, eine Uterusruptur, ein manifestes HELLP-Syndrom und - wie in diesem Fall - ein anhaltender kindlicher Herztonabfall.
Die Ärzte sollten aus Sicherheitsgründen von Anfang an bei pathologischen CTG-Werten bei der Gebärenden bleiben und ein Dauer-CTG anordnen. Mangelhafte Befunderhebungen durch fehlende Diagnostik (Befunderhebungsfehler) sind haftungsrechtlich immer kritisch. Derartiges Unterlassen ist rechtlich als eindeutiger Fehler anzusehen, während falsche Beurteilung von Befunden (Diagnosefehler) folgenlos bleiben können.
Kinder, denen bereits durch einen Geburtsschaden der Start ins Leben erschwert wird, haben einen Anspruch auf hohe Schmerzensgelder. Dabei ist klar: Keine Summe kann den Verlust von Lebensqualität aufwiegen. Allerdings ist ebenso selbstverständlich, dass diese Kinder auf besondere Unterstützung angewiesen sind. Zum Teil lebenslang.
Wir sind überzeugt: In einem so schweren Fall war die Erhöhung des Schmerzensgeldes auf 250.000 Euro absolut notwendig. Der Junge hat erheblichste Schäden erlitten. Diese beeinträchtigen nicht nur ihn, sondern sein gesamtes Umfeld. Darüber hinaus wird er nie für den eigenen Lebensunterhalt sorgen können, er wird dauerhaft auf materielle und immaterielle Unterstützung angewiesen sein.
Wichtig ist, dass Opfer von Geburtsschäden kundig und durchsetzungsstark vertreten werden. Als Fachanwälte von Medizinrecht mit der Spezialisierung auf Arzthaftung vertreten wir fachkundig und kompetent Kinder und deren Familien, die durch einen Geburtsschaden geschädigt wurden.
Sollte auch Ihre Familie Opfer eines Geburtsschadens geworden sein, sprechen Sie uns an. Gemeinsam gehen wir Ihren Fall durch und helfen Ihnen, Schadensersatzansprüche für Ihr Kind durchzusetzen. Auch bei (Folge-) Erkrankungen durch mangelnde Krankenhaushygiene stehen wir Ihnen gern zur Seite.
Vertrauen Sie uns Ihren Fall an, wir helfen Ihnen gern. Die geschulten Mitarbeiterinnen in unserem modern arbeitenden Sekretariat vermitteln flexibel und vertrauensvoll kurzfristige Gesprächstermine und Erstkontakte. Für eine kompetente Rechtsberatung stehen Ihnen u.a. folgende Fachanwälte zur Verfügung:
Redaktion Medizinrecht
Rechtsanwalt Joachim Laux: Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht. Gründer und Partner der Kanzlei Laux Rechtsanwälte, Berlin. Spezialisiert auf Behandlungsfehler, Ärztepfusch, Schadensrecht bei schweren und schwersten Unfällen sowie Zahlungs-/Leistungsverweigerungen von Versicherungen. Bekannt aus zahlreichen TV-Interviews. Kontakt aufnehmen