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Mehrbedarf und vermehrte Bedürfnisse

Grundsatz: Vorher-Nachher-Vergleich ist entscheidend

Nach Unfall oder medizinischem Behandlungsfehler kommen zeitweise oder auch dauerhaft hohe finanzielle Belastungen auf die geschädigten Personen und deren Familien zu. Dieser finanzielle Mehraufwand geht weit über das hinaus, was Menschen normalerweise für persönliche Bedürfnisse aufwenden.

Deshalb spricht man in der juristischen Fachsprache - im Vergleich zum Durchschnitt bzw. Unverletzten - von Mehrbedarf oder auch vermehrten Bedürfnissen.

Worum geht es? Schadensersatz für zusätzliche Ausgaben und Zeitaufwand

Die veränderte Situation verursacht diverse Kosten, die als sogenannter Mehrbedarfsschaden von der Schädigerseite an die geschädigte Person als

  • Schadensersatz durch Einmalzahlungen (Kapitalabfindung) oder
  • regelmäßige Monatsbeträge (Mehrbedarfsrente)

ausgeglichen werden muss.

Zentraler Punkt: Pflegekosten und Betreuungskosten

In diesem Punkt sind dabei nicht nur die Kosten für professionelle Pflegekräfte zu berücksichtigen. Auch die zusätzliche Zeit von Familienmitgliedern oder anderen Personen aus dem sozialen Umfeld muss entschädigt werden.

Je nach Bundesland und Rechtsprechungspraxis der jeweiligen Landes- und Oberlandesgerichte können unterschiedliche Stundensätze, überwiegend zwischen 10 und 12 Euro, gefordert werden. Teilweise orientieren sich Gerichte am Bundesangestelltentarif BAT.

Sollten Krankenversicherer oder Berufsgenossenschaft für Pflege und Betreuung teilweise aufkommen, dann müssen diese Leistungen ebenso wie Blindengeld und andere Sozialleistungen auf den Mehrbedarf angerechnet werden.

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Personeller Mehrbedarf bei Pflegebedürftigkeit

Bei Unterbringung der pflegebedürftigen Person in einer Pflegeeinrichtung ist die Berechnung des Schadens relativ einfach. Beansprucht werden können die kompletten Pflegekosten, abziehen muss man von diesem Betrag nur den Anteil, welcher von Pflegeversicherung oder Sozialamt übernommen wird.

Wird die geschädigte Person jedoch zu Hause von Angehörigen gepflegt, ist die Schadensberechnung etwas komplizierter. Hier gilt der Grundsatz: Die Pflegeleistungen der Angehörigen sollen die Schädiger nicht etwa entlasten. Vielmehr ist es so, dass Mühen und Aufwand der pflegenden Angehörigen durch marktgerechte Vergütung angemessen auszugleichen sind.

Berechnet wird der Pflegeaufwand für jeden Fall individuell und konkret. Schadensrechtlich relevant sind aber immer nur die Pflege- und Betreuungstätigkeiten von Angehörigen, die in vergleichbarer Weise auch von einer fremden Hilfskraft hätten übernommen werden können, da nur diese Leistungen einen Marktwert haben.

Was bedeutet Mitwirkung bei einem Unfall mit Folgen?

Sonderfall: Eltern pflegen Kind

Zeitaufwand, der sich nicht konkret in der Vermögenssphäre niederschlägt, soll hierbei nicht als ersatzfähig gelten. Das betrifft vor allem die persönliche Zuwendung, die Eltern einem kranken Kind entgegenbringen und wie sie allein dem Verhältnis zwischen Eltern und Kind zu eigen ist. Fremde Pflegekräfte könnten Vergleichbares nicht bewirken. Die persönliche Verbundenheit zwischen Eltern und Kindern hat keinen Marktwert.

Elterliche Betreuungsleistungen sollen immer nur dann als vermehrte Bedürfnisse der geschädigten Person ersatzpflichtig und damit Mehrbedarf sein, wenn diese Betreuungsleistungen sich so weit aus dem selbstverständlichen, originären Aufgabengebiet der Eltern herausheben, dass der entgeltliche Einsatz einer fremden Pflegekraft nicht nur theoretisch, sondern bei vernünftiger Betrachtung als praktische Alternative ernsthaft in Frage kommt.

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Exkurs: Was ist eine Mehrbedarfsrente?

Die Mehrbedarfsrente bezieht sich auf dauernde, immer wiederkehrende Mehraufwendungen für die persönliche Lebensführung, die durch die fortwährende Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens bedingt sind und nicht der Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Diese Rente bemisst sich nicht nach einem abstrakten Beeinträchtigungssatz wie etwa bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit, sondern nach den tatsächlichen Mehranforderungen.

Pflegemehrbedarf dokumentieren: Notieren Sie den Tagesablauf

Um diese Mehranforderungen messen zu können, raten wir pflegenden Angehörigen dazu, sogenannte Tagesabläufe zu erstellen. Dabei wird jede einzelne Pflegetätigkeit mit Uhrzeit erfasst. sodass es möglich wird, den für die sämtliche Pflegetätigkeiten anfallenden Zeitaufwand zu ermitteln.

Ganz anschaulich und lebensnah sollte man die mit den jeweiligen Pflegetätigkeiten verbundenen praktischen Schwierigkeiten erwähnen. Derartige Schilderungen dienen zur Veranschaulichung und zur näheren Erläuterung für den jeweiligen Zeitansatz.

Beispiel für Tagesablauf mit Schilderung

Assistenz bei der Nahrungsaufnahme/Füttern besonders zeitaufwendig wegen gestörter Mund- und Schluckmotorik, häufiges Verschlucken und Übergeben, daher Umziehen und Nachfüttern erforderlich.

Private Unfallversicherung Vorschaden und Kausalität

„Tagesablauf“ ist mehr als Pflegetagebuch für den MDK

Anders als bei den sogenannten Pflegetagebüchern, die oft für die Pflegekasse vor MDK-Begutachtungen (MDK - Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) geschrieben werden, sollte bei der Erstellung der Tagesabläufe wirklich jeder Mehraufwand berücksichtigt werden.

Also zählt auch der Betreuungsaufwand außerhalb der sogenannten Grundpflege. Zu erstatten ist nämlich der komplette personelle Mehraufwand, der auf die haftungsrelevante Gesundheitsschädigung zurückzuführen ist. Hierzu zählt beispielsweise auch die Begleitung zur Arztpraxis durch eine angehörige Person, wenn die geschädigte Person außerstande ist, selbst Auto zu fahren oder unbegleitet öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Mit der Schilderung eines typischen durchschnittlichen Tagesablaufes können Haftpflichtversicherer - im Streitfall dann auch die Gerichte - angemessene Schätzungen des Pflegeaufwandes durchführen. Die Gerichte beauftragen zunehmend auch Pflegegutachten, mit denen dann die Tagesabläufe auf Plausibilität überprüft werden und mit den medizinischen Gegebenheiten abgeglichen werden.

„Gehen Sie doch in‘s Heim, das ist billiger“

Manchmal können es unsere Mandantinnen und Mandanten kaum glauben, wie zermürbend und hart die Auseinandersetzungen von Seiten der Haftpflichtversicherer der Unfallverursacher, Ärzte oder Kliniken geführt werden. Haftpflichtversicherer versuchen es gelegentlich wider besseres Wissen mit falschen Argumenten und behaupten, dass die geschädigte Person oder deren aufopferungsvoll pflegende Familie Kosten und Mehraufwand reduzieren müssten.

In den meisten Fällen ist das falsch.

Generell können die Geschädigten nämlich nicht auf eine angebliche Schadensminderungspflicht weisen. Das wünschen sich zwar die Versicherer, rechtlich zulässig ist dieser Einwand aber so gut wie nie. Insbesondere mit dem bloßen Argument, häusliche Pflege wäre zu teuer und eine Heimunterbringung günstiger, kommen die Versicherer nicht durch. Die Rechtslage dazu ist klar und schützt die Geschädigtenseite ausreichend.

Exkurs: Rücksichtnahme heißt nicht Minimalversorgung

Mehrbedarf bemisst sich - so die gefestigte Rechtsprechung - nach den Dispositionen, welche „verständige Geschädigte“ bei der von ihnen in zumutbarer Weise gewählten Lebensgestaltung getroffen hätten. Vernunft spielt also als Regulativ die entscheidende Rolle und nicht Sparziele und Regulierungsvorgaben bei den Haftpflichtversicherungen.

Auf die Wahl der Lebensgestaltung darf nur eingeschränkt Einfluss ausgeübt werden, wenn nämlich die Kosten „in keinem vertretbaren Verhältnis zu der Qualität der Versorgung der Geschädigten stehen“. Nur wenn die Geschädigten tatsächlich die kostenträchtigere Versorgung wählten, sind sie bei einzelnen Ausgabenpositionen der Schädigerseite gegenüber zur Rücksichtnahme verpflichtet. Das hat zur Folge, dass nur der Mehrbedarf zu ersetzen ist, der tatsächlich bei sinnvoller Disposition anfällt.

Es gibt aber keinesfalls nur Anspruch auf die Minimalversorgung! Die Höhe des Ersatzanspruches für Mehrbedarf orientiert sich vielmehr an den Bedürfnissen der Geschädigten, wobei besonders bei Kindern zu bedenken ist, dass ein Heim eine intensive liebevolle und ganzheitliche Versorgung durch das Elternhaus niemals vollständig ersetzen kann.

Sachlicher Mehrbedarf - was gehört dazu?

Man ermittelt den sachlichen Mehrbedarf am konkreten Fall und ganz individuell. Hier kommen vielfältige Schadenspositionen in Betracht, denn es geht um die materielle Ausstattung. Durch verschiedenste Hilfsmittel, Baumaßnahmen und Zahlungen soll ein Ausgleich für die haftungsrelevanten Beeinträchtigungen angestrebt werden.

Unsere Ansicht zum Begriff „Behinderung“

Der Begriff Behinderung galt lange Zeit als medizinische Tatsache. Heute ist das anders. Früher sah man das so: Irgendetwas funktioniert bei einem Menschen „nicht richtig“. Weil etwa ein Bein fehlt, kann die Person nicht an allem teilhaben, was ein „normaler“ Mensch so treibe.

Das Bundessozialgericht prägte dafür den Begriff „Funktionsbeeinträchtigung“. Das klingt sehr technokratisch. Richtig dürfte auch sein: „Behindert ist man nicht, behindert wird man.“

Die Sprache im Zusammenhang mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen von Menschen und deren Teilhabe am Leben wollen wir, insbesondere als spezialisierte Personenschaden-Kanzlei, korrekt verwenden.

Unabhängig davon verwenden wir in den folgenden Texten den unschönen Begriff „behindertengerecht“. Unser Ziel dabei ist, dass Sie die für Sie wichtigen Informationen über die Suchmaschinen angezeigt bekommen. Denn leider werden die Begriffe „barrierefrei“, „rollstuhlgerecht“, „funktionsbeeinträchtigt“ oder „zugänglich machen“ von Suchmaschinen nicht ausreichend erkannt. Wir bitten daher Menschen mit Beeinträchtigungen um Verständnis.

Auch das gehört zum sachlichen Mehrbedarf:

  • Anschaffungskosten für Treppenlift, Rollstuhl, (Pflege-)Bett u.a.
  • spezielle Diäten und besondere Therapien
  • angepasste Bekleidung und Möbel
  • Prothesen und Brillen
  • elektronische Lese- und Schreibhilfen
  • Umbau oder Neuanschaffung eines behindertengerechten PKW
  • Körperversorgung und Körperpflege
  • Fahrtkosten oder Kfz-Kosten für Arztbesuche oder Kulturveranstaltungen
  • Mehraufwand für Strom, Wasser, Reinigungs- und Hygieneprodukte

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Häufige Streitpunkte bei unseren Mandaten

1. Behindertengerechtes Fahrzeug

Geschädigte im Rollstuhl haben Anspruch darauf, sicher und menschenwürdig transportiert zu werden. Meistens können öffentliche Verkehrsmittel nicht genutzt werden, weil dies zum einen zu umständlich, zum anderen nicht zumutbar ist, da nicht nur die geschädigte Person, sondern auch deren Transport- und Hilfsmittel zu transferieren sind.

Kann ein bereits vorhandenes Fahrzeug genutzt werden, sind lediglich Fahrtkosten zu erstatten. Gerichte bestimmen diese nach freiem Ermessen, anknüpfend an die Kilometerpauschale entsprechend der aktuellen ADAC Autokostenberechnung. Hier werden unter Einbeziehung von Wertverlust, KFZ-Steuer, Haftpflicht und Teilkasko, Reparaturen etc. die Gesamtkosten pro Kilometer ermittelt.

Wird ein neues Fahrzeug angeschafft, sind alle in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten zu erstatten; neben dem Kaufpreis auch Kosten für den behindertengerechten Umbau des Fahrzeugs sowie Wartungskosten. Das Auto ist in Deutschland ein „Heiligtum“, deshalb hier eine Besonderheit: An dieser Stelle muss dann doch die Schadensminderungspflicht bedacht werden. Nicht alles, was in einem Auto angenehm ist, muss auch vom Schädiger ersetzt werden, sondern nur das (medizinisch) Notwendige.

Wir sagen dazu: Mittelklasse-Wagen mit solider Ausstattung.

2. Behindertengerechtes Wohnen

Geschädigte haben Anspruch auf menschenwürdige Wohnverhältnisse. Die hierfür notwendigen Mehrkosten haben die Haftpflichtversicherungen der Schädiger zu ersetzen. Diese Bedürfnisse können sowohl in einer Mietwohnung als auch im Wohneigentum befriedigt werden.

Liegt beispielsweise die vorhandene Mietwohnung in einem Haus ohne Aufzug im dritten Stock und ist zu klein, um die Hilfsmittel der geschädigten Person unterzubringen und auch noch die notwendigen Therapien mit ihr durchzuführen, muss die Schädigerseite die Mehrkosten für die Anmietung einer adäquaten Wohnung tragen.

Wohnt die Familie bereits im eigenen Haus, muss dieses aber umgebaut werden - weil etwa kein behindertengerechtes Bad vorhanden ist oder für einen Rollstuhl zu schmale Türen verbaut wurden - sind diese Kosten komplett zu übernehmen. Auch die Kosten für einen Anbau bzw. Neubau sind - soweit notwendig und angemessen - zu tragen.

Dabei können Haftpflichtversicherer die Geschädigten nicht darauf verweisen, dass nur die Kosten für die Beschaffung und Verzinsung des für den Um- bzw. Neubau benötigten Kapitals zu übernehmen sind. Die Geschädigten haben ein Wahlrecht hinsichtlich der Erfüllungsart und können auch eine Kapitalisierung verlangen.

Damit trägt der Bundesgerichtshof BGH der Notwendigkeit eines für die beeinträchtigte Person „würdigen“ Schadensausgleichs Rechnung.

Bei der Ermittlung des durch die Schaffung von behindertengerechtem Wohnraum entstandenen Schadens sind zu berücksichtigen:

  • ein Ausstattungsmehrbedarf z.B.:
    • Aufzug
    • breitere Türen
    • Bad- und Sanitäreinrichtungen
    • Rampen
  • ein flächenmäßiger Mehrbedarf z.B.
    • Abstandsflächen
    • Therapieraum

3. Anlern- und Aushilfstätigkeiten oder Behindertenwerkstatt

Die Teilnahme am Erwerbsleben hat auch für Menschen mit Beeinträchtigungen einen hohen Stellenwert. Die Schädigerseite kann die Geschädigten deshalb nicht darauf verweisen, zu Hause zu bleiben und die Zeit mit Zerstreuungen zu füllen, anstatt zu arbeiten, etwa weil das „für die Versichertengemeinsaft wesentlich billiger“ käme.

Es ist auch nicht darauf abzustellen, dass die Tätigkeit in einer dieser Einrichtungen wegen der anfallenden hohen Kosten wirtschaftlich nicht lohnend wäre. Auch wenn die Geschädigten durch die Beschäftigung nur einen bescheidenen Lohn erzielen, kann doch davon ausgegangen werden, dass diese Erwerbsarbeit das Selbstwertgefühl hebt, für gesellschaftliche Anerkennung nicht ohne Bedeutung ist und den geschädigten Personen soziale Kontakte verschafft.

Dem Schädiger ist die Übernahme der durch eine entsprechende Tätigkeit entstehenden Mehrkosten deshalb zuzumuten.

Mehrbedarf – Holen Sie sich Rat beim Spezialisten

Wir von der Rechtsanwaltskanzlei Laux können Ihnen dabei helfen, Ihren Mehrbedarf zu berechnen und für Sie durchzusetzen. Dabei stehen wir Ihnen mit unserem Fachwissen und unserer langjährigen Berufserfahrung zur Seite.

Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf. Sie erreichen uns Montag bis Freitag telefonisch unter 030 33 77 373 10 oder jederzeit per E-Mail an kanzlei@ra-laux.de.

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