Können Sie Ihren Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld erfolgreich durchsetzen? Entscheidend hierfür ist oft die Einordnung des Behandlungsfehlers im Arzthaftungsprozess. Bei Schädigung durch einen Arztfehler ist für den Verlauf des Rechtsstreits wichtig, welche Befunde erhoben und welche Diagnosen gestellt wurden. Als Ausgangspunkt sollte der medizinische Sachverhalt genau analysiert werden, bevor der Vorwurf der fehlerhaften ärztlichen Behandlung erhoben wird. Denn entscheidend ist, ob ein Diagnosefehler oder ein Befunderhebungsfehler oder ein Verstoß gegen die therapeutische Aufklärungspflicht vorliegt. All dies sind Unterfälle des ärztlichen Behandlungsfehlers, haben aber unterschiedliche Konsequenzen für den Fortgang des Gerichtsprozesses.
Ein Befunderhebungsfehler liegt vor, wenn der Arzt die medizinisch gebotenen Befunde nicht erhebt. Er hat es also sorgfaltswidrig unterlassen, seine Verdachtsdiagnose durch entsprechende Untersuchungen (Befunde) abzusichern und dem Patienten dadurch geschadet.
Abzugrenzen ist dieser Fehler
In der Fallgruppe der unterlassenen Befunderhebung wird zwischen qualifizierten und einfachen Fehlern unterschieden. Qualifiziert ist ein Befunderhebungsfehler dann, wenn der (unterlassene) Befund mit Wahrscheinlichkeit (> 50%) erhoben worden wäre und der Arzt dann sofort mit einer angemessenen Therapie hätte reagieren müssen. In solchen Fällen „dreht“ sich die Beweislast um, d.h. der Patient muss nicht mehr beweisen, dass die fehlerhafte Behandlung seine Schäden (sicher) verursacht hat. Es reicht – wie beim groben Behandlungsfehler – aus, dass dies grundsätzlich möglich ist.
Ob ein Behandlungsfehler auf eine falsche Diagnose oder fehlerhafte Befunderhebung zurückzuführen ist, kann im Arzthaftungsprozess für den Patienten weitreichende Konsequenzen haben. Beim Befunderhebungsfehler stehen die Aussichten um ein Vielfaches besser als bei einer Fehldiagnose, den Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld für geschädigte Patienten durchzusetzen.
Daher ist es wichtig, bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler sofort einen spezialisierten Fachanwalt für Medizinrecht einzuschalten. Dieser kann einschätzen, ob ein Diagnosefehler oder ein Befunderhebungsfehler vorliegt, indem er den medizinischen Sachverhalt prüft.
Im Gerichtsprozess liegt die Beweispflicht in der Regel beim Kläger, also in diesem Fall auf der Seite des geschädigten Patienten. Er muss nachweisen, dass ein Behandlungsfehler durch den beklagten Arzt vorlag und ihm daraus ein Gesundheitsschaden entstanden ist. Hat ein ärztlicher Behandlungsfehler eine bestimmte Schwere erreicht, kehrt sich die Beweislast um - nun ist die Seite des behandelnden Arztes dafür verantwortlich, die Kausalität des Gegenteils zu beweisen. Ein solcher grober Behandlungsfehler stellt eine enorme Beweiserleichterung für den Kläger dar und bietet eine realistische Chance für einen erfolgreichen Prozess.
Wenn ein Befunderhebungsfehler vorliegt, stehen die Chancen für den Patienten deutlich besser. Er führt zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität zwischen dem Behandlungsfehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden: Der Arzt muss beweisen, dass der Schaden an der Gesundheit des Patienten auch dann eingetreten wäre, wenn der Befund erhoben und somit richtig behandelt worden wäre. Diesen Zusammenhang nachzuweisen, wird ihm kaum gelingen.
Allerdings gilt diese Beweislastumkehr bei unterlassener Befunderhebung nur, "wenn sich bei der gebotenen Abklärung [der Symptome] mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis ergeben hätte, und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde" (BGH, Urteil vom 13.09.2011 zum Az. VI ZR 144/10). Mit anderen Worten: Die Beweislast des Arztes gilt, wenn die eingehende Untersuchung des Patienten (z.B. durch Erstellung eines Röntgenbildes) zu einem Befund geführt hätte (z.B.: eine Fraktur), der seinerseits zum ärztlichen Eingreifen verpflichtet hätte.
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Im Jahr 2011 stellte der Bundesgerichtshof in zwei wichtigen Urteilen (VI ZR 87/10, VI ZR 144/10) klar, dass die für den Patienten so vorteilhafte Beweislastumkehr überhaupt keinen groben Befunderhebungsfehler voraussetzt. Bereits ein einfacher (“verständlicher”) Befunderhebungsfehler führt – im Gegensatz zu einem einfachen Diagnosefehler – zu einer Beweislastumkehr. Die Idee dahinter ist einfach: Es würde sonst vom Zufall abhängen, ob ein Patient, bei dem ein wichtiger Befund nicht erhoben wurde, von der Beweislastumkehr profitiert oder nicht. Die Kenntnis über diese Regelungen im Arzthaftungsrecht ist für geschädigte Patienten besonders wichtig für die Erfolgsaussicht einer Klage.
Wegen der rechtlichen Besonderheiten und komplizierten Beweislastverteilung in einem Arzthaftungsprozess sollten Sie sich in Ihrem Fall unbedingt an eine fachkundige Kanzlei wenden. Unsere Anwälte für Arzthaftungsrecht beraten und vertreten Sie gern.
Patienten, die aufgrund einer Fehldiagnose, einer ungenügenden Befunderhebung oder fehlerhaften Behandlung einen Gesundheitsschaden erlitten haben, sollten sich unbedingt die Hilfe von spezialisierten Anwälten und Fachanwälten einholen. Ein Rechtsanwalt mit Prozesserfahrung und Fachwissen im Arzthaftungsrecht kann bereits im Vorfeld einschätzen, ob im Einzelfall Beweislastumkehr oder Beweiserleichterung anwendbar sind.
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