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1 Million € Schmerzensgeld – dennoch ein schwieriges Leben

Behandlungsfehler bei einem Kind, 1 Million Euro Schmerzensgeld

Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, auch in Krankenhäusern. Fehler bei medizinischen Behandlungen haben häufig schwere Folgen. Ein kurzer Augenblick ist dann entscheidend für das gesamte weitere Leben.

Danach ist alles anders. Erwartungen und Chancen für ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben müssen neu definiert werden. Erwerbsschäden in 7stelligen Bereichen sind in solchen Fällen keine Seltenheit. Schwere Schicksalsschläge durch Behandlungsfehler prägen das Leben der betroffenen Menschen und das ihrer Familien enorm.

Was ist passiert? (#Behandlungsfehler)

In einem Krankenhaus im Kreis Limburg-Weilburg ereignete sich im Dezember 2011 eine Tragödie durch medizinische Behandlungsfehler. Ein einjähriger Junge wurde dort wegen einer Infektion behandelt. Über einen sogenannten Portzugang sollte er Antibiotika erhalten.

Den Jungen ängstigte der Schlauch an seinem Körper, sodass er weinte und schrie, als die Krankenschwester das Medikament einfüllen wollte. Die Aufregung des Kleinen war schließlich so arg, dass er sich an einem Stückchen Apfel verschluckte. Die Krankenschwester wusste, dass der Junge kurz zuvor gegessen hatte und hätte damit rechnen müssen, dass er sich über die Medikamentengabe aufregt. Also hätte sie mit der Medikamentengabe länger warten müssen, um das naheliegende Verschlucken von Speiseresten zu verhindern.

Die Rettungsmaßnahmen des medizinischen Personals gelangen leider auch nicht gut, schädigten die Gesundheit des kleinen Patienten sogar zusätzlich. Durch den Sauerstoffmangel erlitt der Junge gravierende Hirnschäden und ist seitdem schwerbehindert.

Ermittlung des Schmerzensgeldes ist nie einfach

Die Richterinnen und Richter der Arzthaftungskammer beim Landgerichtes Limburg sprachen dem Jungen am 28. Juni 2021 eine Million Euro Schmerzensgeld zu. Das Landgericht sah die fatalen Konsequenzen für das Leben des Jungen und berücksichtigte, dass dieser nie ein auch nur näherungsweise normales Leben führen kann:

  • Spielen mit seinen Eltern, Geschwistern oder anderen Kindern,
  • der Besuch eines Kindergartens oder einer normalen Schule,
  • der Aufbau von regulären Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen.

Das alles kann der Junge nicht erleben und darauf stellten die Richterinnen und Richter in der Begründung zutreffend ab. Der heute 10 Jahre alte Junge kann nicht sprechen und nicht laufen. Eine normale Kindheit bleibt ihm weitgehend verwehrt. Rund um die Uhr ist er auf fremde Hilfe angewiesen.

Außerdem kann er Gefühle und Gedanken nur eingeschränkt äußern und selbst Essen und Schlafen sind für ihn infolge von Epilepsie und Schluckbeschwerden mit Angstzuständen verbunden. Die Familie des Jungen hatte ein Mindestschmerzensgeld von 500.000 Euro eingeklagt, das Landgericht ging weit darüber hinaus und verurteilte sogar zu 1 Million Euro Schmerzensgeld plus Zinsen.

Neben Schmerzensgeld muss auch Schadensersatz geleistet werden

Die materielle Absicherung für das schwierige Leben des Jungen und das seiner Familie kostet allerdings viel mehr als 1 Million Euro. Allzu oft geht es bei schweren Schädigungen von Kindern und jungen Menschen um mehrere Millionen Euro Kompensation materieller Schäden. Denn dabei muss der Schadensersatz auf das gesamte Menschenleben hochgerechnet werden.

Folgerichtig entschied das Gericht daher auch, dass dem Jungen sämtliche Zukunftsschäden zu ersetzen sind.

Besonders bei Kindern nicht zu unterschätzen – der Erwerbsschaden

Werden Kinder geschädigt, wird die Berechnung von Schadensersatz komplizierter als bei Erwachsenen. Kinder haben nämlich keinen klar zu erkennenden Erwerbsschaden bzw. Verdienstausfallschaden, sondern sind generell um Zukunftschancen gebracht worden.

Somit ist der Erwerbsschaden bzw. der Verdienstausfallschaden bei Kindern ein Fortkommensschaden, der schwer zu schätzen ist.

Schadensschätzung bei Erwerbsschaden nur vom Spezialisten durchführen lassen!

Dabei gilt: Je jünger das geschädigte Kind, desto unsicherer muss die Schadensschätzung sein. Bei der schwierigen Prognose bewertet man Hinweise und Ansätze für eine bestimmte schulische und berufliche Entwicklung und gleicht diese für die Schadensschätzung mit bestimmten Durchschnittswerten ab. Hinweise und Ansätze sind beispielsweise Begabungen und Fähigkeiten des Kindes oder schulische Leistungen.

Lässt sich aus diesen Tatsachen wenig oder nichts schlussfolgern, wird auf die schulische und berufliche Entwicklung der Geschwister, auf die berufliche Tätigkeit der Eltern und zuletzt auf das Durchschnittseinkommen von Kindern einer Familie aus vergleichbarem gesellschaftlichem Umfeld zurückgegriffen.

Weisen die Umstände weder auf eine besonders glänzende noch auf eine besonders enttäuschende berufliche Laufbahn hin, so geht man von einer durchschnittlich erfolgreichen Karriere mittlerer Art und Güte aus.

Welcher Beruf wäre gewählt worden?

Trifft das Schadensereignis ein jüngeres Kind oder ein Baby, über dessen berufliche Zukunft auf Grund des eigenen Entwicklungsstands zum Schadenszeitpunkt noch keine „zuverlässige“ Aussage möglich ist, darf es dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen, dass die Beurteilung des hypothetischen Verlaufs mit nicht zu beseitigenden erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. In einem Gerichtsverfahren kann ein bestimmtes Berufsbild festgelegt werden.

Prognose des zukünftigen Einkommens ist nicht einfach

Besonders problematisch und schwierig ist die Prognose aber auch bei jungen Geschädigten, die sich in der Ausbildung befinden oder etwa am Beginn eines Studiums. Als „Prognosehelfer“ taugen dabei die Eltern oder die Geschwister und deren Qualifikationen. Auch Schulnoten spielen eine Rolle.

Beispielsweise hat der Bundesgerichtshof bei einer schwerstgeschädigten Zehnjährigen allein die Tatsache genügen lassen, dass diese wenige Tage vor einem schweren Unfall in die fünfte Klasse des Gymnasiums aufgenommen worden war, um anzunehmen, dass diese auf Dauer später ein überdurchschnittliches Einkommen erzielt hätte. Sie finden hier weitere interessante Schmerzensgeld-Urteile.

Im Zweifel muss zugunsten der Geschädigten entschieden werden, um dem Schädiger keinen Vorteil zukommen zu lassen wegen der Schwierigkeit der Prognose. Denn es liegt ja gerade in der Verantwortlichkeit der Schädiger, dass die Geschädigten zu einem so frühen Zeitpunkt aus der Bahn geworfen worden sind.

Zudem ist das Schadenereignis selbst die Ursache für die Aufklärungsprobleme hinsichtlich des Schadenumfanges. Somit liegt es allein in der Verantwortlichkeit der Schädigerseite, dass die geschädigten Kinder und Jugendlichen in einem sehr frühen Zeitpunkt ihrer Entwicklung aus der Bahn geworfen wurden und dass sich daraus die besondere Schwierigkeit ergibt, eine Prognose über den Verlauf des weiteren Schul- und Berufslebens anzustellen.

Die Unsicherheit möglicher Prognosen befreit die Gerichte nicht davon, eine solche Prognose treffen zu müssen. Der Bundesgerichtshof formulierte das vor einigen Jahren so: Bei einem jüngeren Menschen kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht angenommen werden, dass er auf Dauer die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten für eine gewinnbringende Erwerbstätigkeit nicht nutzen werde.

Erwerbsschaden bei Erwachsenen

Bei Erwachsenen entscheidet für den Erwerbsschaden die verminderte oder verlorene Arbeitskraft. Das gilt für Arbeitnehmer, Beamte und Selbständige gleichermaßen. Aber auch dort stellt sich bei langfristigem Arbeitskraftausfall das Problem der Prognose des beruflichen Fortkommens, etwa durch

  • Beförderungen,
  • Karrieresprünge,
  • Unternehmens- und Branchenentwicklungen,
  • die Einkommensentwicklung anhand von Verdienstprognosen,
  • künftiges Lohnniveau und
  • allgemeine Zukunftsaussichten.

Die Schadensverantwortlichen müssen den geschädigten Personen bis zum 65. oder 67. Lebensjahr den Arbeitskraftausfall als Erwerbsschaden ersetzen.

Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung, Unfallversicherung oder Krankentagegeldversicherung werden dabei nicht angerechnet, weil es sich um private Vorsorge handelt, welche Geschädigte ja auch selbst finanzierten.

Es gilt die Faustformel: Die geschädigte Person muss das gleiche auf ihrem Konto haben, wie es ohne Behandlungsfehler der Fall gewesen wäre. Mit den Leistungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder Unfallversicherung kann es dann sogar mehr als vorher sein.

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