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Invalidität und Invaliditätsgrad

Was bedeutet Invalidität und wann liegt sie vor?

Wenn eine Person durch einen Unfall dauerhaft körperlich oder geistig beeinträchtig wird, spricht man von Invalidität. Eine solche Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie voraussichtlich drei Jahre oder länger bestehen wird, § 180 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

Das ist in der Regel der Fall, wenn der Geschädigte schwere Verletzungen durch einen (Verkehrs-)Unfall erlitten hat. Wenn sich der Geschädigte dagegen einen Knochenbruch zuzieht, der innerhalb eines Jahres vollständig ausheilt, liegt meist keine Invalidität vor.

Welche Voraussetzung müssen erfüllt sein, um Invaliditätsleistungen zu erhalten?

Leistungen aus der Unfallversicherung können aus weltweit erlittenen Unfällen verlangt werden. Der Unfallbegriff ist grundsätzlich weit gefasst. Hierunter fällt praktisch jede unfreiwillige Einwirkung von außen auf den Körper, die zu einer Schädigung führt, also z.B. jegliche Art von:

  • Gewalteinwirkung,
  • Stürze,
  • Ertrinken,
  • Sonneneinstrahlung,
  • Insektenbisse,
  • Keime,
  • Lebensmittelvergiftungen etc.

und meist auch „erhöhte Kraftanstrengungen“ z.B. beim Sport, die zum Ausrenken (Luxation) von Gelenken, Zerreißung von Muskeln und Bändern oder ähnlichen Schäden führen.

Die Einzelheiten sind in den Versicherungsbedingungen geregelt. Dabei ist grundsätzlich alles versichert, was nicht explizit ausgeschlossen ist (wie z.B. Schäden durch regionale oder weltweite Katastrophen, (Bürger-)Kriege, Nuklearunfälle). Die Prüfung kann jedoch im Einzelfall sehr kompliziert sein.

Private Unfallversicherung Invalidität und Invaliditätsgrad

Anspruchsvoraussetzung für Invaliditätsansprüche bei Unfallfolgen

Anspruchsvoraussetzung für Invaliditätsansprüche (Kapital- und Rentenleistungen) ist:

  • der unfallbedingte Eintritt der Invalidität innerhalb eines bestimmten Zeitraums (meist 1 Jahr, teilweise auch länger),
  • die (vollständige) ärztliche Feststellung der Invalidität (Invaliditätsfeststellung) innerhalb einer weiteren Frist (von in der Regel drei Monaten) und
  • die Geltendmachung der Invalidität bei dem Versicherer.

Die Fristen können nicht verlängert werden. Wenn sie versäumt werden, entfallen die Ansprüche des Versicherungsnehmers, sofern der Versicherer auf den Lauf der Fristen zuvor unmissverständlich hingewiesen hat (§ 186 VVG), was er im Zweifelsfall beweisen muss.

Anschließend wird der Umfang der Invalidität (in der Regel im Auftrag des Versicherers) sachverständig festgestellt. Hiernach und den Vereinbarungen in den Versicherungsunterlagen (Gliedertaxe, Versicherungssumme, Progression) richtet sich dann die Höhe der Invaliditätsleistungen (Kapital und/oder (lebenslange) Unfallrente).

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Wonach richtet sich der Invaliditätsgrad?

Die Bestimmung des Invaliditätsgrades und der Invaliditätsleistung erfolgt anhand der sog. Gliedertaxe. Diese stellt in tabellarischer Form die Beeinträchtigung von Gliedmaßen (Arme, Beine, Finger) und einiger Organe in festen Prozentwerten dar. Beeinträchtigungen, die in der Gliedertaxe nicht enthalten sind (z.B. Hirnschäden, Verdauungsstörungen, Schmerzsyndrome), sind außerhalb dieser nach dem Ausmaß der Einschränkung der Lebensqualität des geschädigten Versicherungsnehmers zu ermitteln (was oft schwierig ist).

Der für die Berechnung der Versicherungsleistung zu ermittelnde Invaliditätsgrad ist aus der Summe der einzelnen Beeinträchtigungen zu ermitteln.

 

Beispiel zur Berechnung der Versicherungsleistung

Ist ein Bein z.B. unfallbedingt zu 50 % geschädigt und beträgt der Beinwert der Gliedertaxe 80 %, beträgt die Invalidität des Beins 40 % (0,8 x 0,5).

Ist zudem wegen desselben Unfalls ein Arm zu 50 % geschädigt, der nach der Gliedertaxe mit 70 % bewertet wird, beträgt die weitere Invalidität 35 % (0,7 x 0,5).

Der Gesamtinvaliditätsgrad liegt also bei  75 % (40 % + 35 %), was dann in der Regel auch zu einem Unfallrentenanspruch führt, der üblicherweise ab einem Invaliditätsgrad von > 50 % vereinbart ist (mit möglicher Progression ab höheren Invaliditätswerten – festgehalten in der Progressionsstaffel).

Wonach richtet sich der Invaliditätsgrad?

Invaliditätsgrad und Gliedertaxe

Der maximale Invaliditätsgrad beträgt – unabhängig von der Summe der Einzelinvaliditäten – 100 % und führt zum Bezug der Maximalleistung(en). Einige Unfallversicherer bieten für bestimmte Berufsgruppen, wie beispielsweise Ärzte und Musiker, besondere Gliedertaxen an, in denen z.B. der Verlust der Hand (oder aller Finger) mit 100 % (statt mit in der Regel 55 %) bewertet wird.

Teilweise wird die Versicherungsleistung auch nach dem Ausmaß der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit bestimmt. Die Einzelheiten ergeben sich immer aus dem Versicherungsschein und den Bedingungen, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen. Die Prüfung der Unfallversicherungsbedingungen, die insbesondere bei sog. Gruppenversicherungen (z.B. über den Arbeitgeber) mit einer Vielzahl unübersichtlicher Zusatzklauseln überfrachtet sein können, sollte durch einen erfahrenden Unfallversicherungsrechtler erfolgen.

Wie erfolgt die Berechnung der Invaliditätsleistung?

Die Invaliditätsleistung erhält der Geschädigte in der Regel als Einmalzahlung. Die Leistung wird dann auf Basis der vertraglich vereinbarten Versicherungssumme, der Progression sowie des Invaliditätsgrads bestimmt. Beträgt beispielsweise die Versicherungssumme 100.000 Euro und der (Gesamt-)Invaliditätsgrad 35 %, beträgt die Versicherungsleistung ohne Progression 35.000 €.

Progressionen werden im Umfang von 225 % bis 1.000 % vereinbart. Sie erhöhen die Versicherungsleistungen nach den jeweils vereinbarten Progressionsregeln, die in der Regel ab einem Invaliditätsgrad von 25 % einsetzen. Die Einzelheiten ergeben sich immer aus den vereinbarten Versicherungsbedingungen / Progressionsstaffeln.

Im oben genannten Beispiel beträgt die Versicherungsleistung bei einer 225%igen Progression 45.000 €, weil dann die Invaliditätsgrade oberhalb von 25 % doppelt zählen. Bei Vollinvalidität (100 %) beträgt die Versicherungsleistung 225 % der Versicherungssumme (225.000 €) und bei 1.000%iger Progression das Zehnfache (1 Mio €).

Die sog. Erstbemessung der Invaliditätsleistungen ist in der Regel nach Ablauf eines Jahres geschuldet, wobei Versicherer häufig versuchen, dies mit der Begründung hinauszuzögern, dass ein (vermeintlicher) „Endzustand“ abgewartet werden müsse. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr muss der Unfallversicherer die Invalidität nach Ablauf eines Jahres bestimmen, wofür es allein auf den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Zustand ankommt.

Mögliche künftige Verbesserungen (durch Behandlungen) bleiben so lange außer Betracht, wie diese nicht sicher sind. Nach Ablauf von drei Jahren erfolgt dann die sog. Schlussbemessung, die sich beide Seiten vorbehalten können und müssen, wenn sie sich hierauf berufen wollen (!). In manchen Versicherungsbedingungen beträgt diese Frist bis zu 5 Jahre.

Kann die Versicherung über den Grad der Invalidität Leistungen kürzen oder verweigern?

Wenn durch einen Unfall Körperteile oder Organe beeinträchtigt werden, die schon zuvor beeinträchtigt waren, spricht man von Vorinvalidität, die die Versicherungsleistungen in der Regel mindern. Ist beispielsweise ein Bein vor einem Unfall bereits zu 50 % beeinträchtigt und danach zu 100 %, beträgt die für die Berechnung der Versicherungsleistung maßgebliche Invalidität 50 % Beinwert.

Kann die Versicherung über den Grad der Invalidität Leistungen kürzen oder verweigern?

Bei der praktischen Anwendung ist jedoch Vorsicht geboten. Die Beweislast für Vorschäden liegt in vollem Umfang beim Versicherer und für die Verursachung von Unfallschäden reicht (einfachste) Mitursächlichkeit aus. Notwendig ist ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsbeeinträchtigung, der bereits dann gegeben ist, wenn die Beeinträchtigungen zeitnah nach dem Unfall auftreten und ein Zusammenhang nicht gänzlich unwahrscheinlich ist.

Die Beurteilung kann im Einzelfall sehr kompliziert sein und sollte unbedingt von einem erfahrenen Versicherungsrechtler (und nicht von einem Arzt) vorgenommen werden. Keinesfalls schließt das Vorhandensein von Vorschäden unfallbedingte Invalidität aus, auch nicht bei 100%iger Invalidität. Saß der Geschädigte beispielsweise bereits vor dem Unfall wegen einer Querschnittslähmung im Rollstuhl und betrug seine Invalidität 100 %, hat er trotzdem Anspruch auf Unfallversicherungsleistungen, wenn einer seiner (zuvor gesunden) Arme dauerhaft geschädigt wird.

Deshalb ist für Vorgeschädigte der Abschluss einer Unfallversicherung auch nicht grundsätzlich entbehrlich (wie häufig kolportiert wird).

Vorinvalidität kann so umfangreich sein, dass die Versicherungsfähigkeit des/der Geschädigten (rückwirkend) wegfällt. Das ist in der Regel jedoch erst ab Pflegegrad 3 (von 5), also bei überwiegender Pflegebedürftigkeit der Fall. Die Einzelheiten ergeben sich auch in diesem Punkt aus den Versicherungsbedingungen, die auch regeln können, dass die Invaliditätsleistung ab einem bestimmten Alter (z.B. 65 Jahre) als Rentenzahlungen erbracht wird.

Die Berechnung erfolgt dann auf Grundlage der Versicherungsleistung und der Lebenserwartung. Beträgt die Invaliditätsleistung beispielsweise 120.000 € und die restliche Lebenserwartung (gemäß der sog. Sterbetafel) 20 Jahre, beträgt die monatliche, lebenslange Rente 500 € (120.000 € : 20 Jahre : 12 Monate).

Ein Sonderfall ist die sog. Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen. Diese können die Invalidität und damit die Versicherungsleistung auch dann mindern, wenn keine Vorinvalidität bestand. Jedoch sind Krankheiten nur Umstände, die ärztlich behandelt werden müssen und „Gebrechen“ nur dann relevant, wenn sie altersuntypisch sind, wenn auch vor dem Unfall nicht spürbar.

So kann beispielsweise eine unfallbedingt aktivierte Arthrose die Versicherungsleistung mindern, nicht jedoch, wenn die Arthrose (wie z.B. bei einem 70-Jährigen) alterstypisch ist. Auch hier können die (rechtlichen) Einzelheiten sehr kompliziert sein und sollten unbedingt von einem erfahrenden Fachanwalt für (Personen-)Versicherungsrecht geprüft werden.

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