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10-Jahresfrist für Arglistanfechtung bei BU-Versicherung

Unklarheit bei Rechtsschutzversicherten - was deckt die Rechtsschutz?

Häufig wird die Leistungsablehnung der Berufsunfähigkeitsversicherung so begründet: Der Versicherungsnehmer habe bei Vertragsabschluss über Vorerkrankungen oder seinen Gesundheitszustand falsche oder unvollständige Angaben gemacht, sprich gelogen, und damit habe er die Versicherung arglistig getäuscht.

Deshalb gebe es nun nichts, weder Berufsunfähigkeitsrente, noch Beitragsbefreiung – die Versicherung zahlt nicht – und der Vertrag soll dann wegen dieser Anfechtungserklärung auch noch weg sein.

Berufsunfähige Versicherungsnehmer aufgepasst: Laut Gesetz soll zehn Jahre nach Versicherungsantrag Ruhe sein!

Eigentlich gibt es eine klare gesetzliche Regelung dazu, in welchem Zeitraum die Versicherung den Vertrag mit dem Versicherungsnehmer wegen einer arglistigen Täuschung anfechten darf. Hiernach sollen Versicherungsverträge nach einer Zeitspanne von zehn Jahren nicht mehr wegen unrichtiger Gesundheitsangaben angefochten werden können.

Im realen Leben aber hatten unsere Mandanten in den letzten Jahren immer wieder mit heftigem Widerstand von Versicherungen zu kämpfen.

Nun lohnt sich der Widerstand der Versicherungen nicht mehr, die wackeligen Verträge mit problematischen Auskünften der Versicherungsnehmer sind sozusagen in Sicherheit. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Grundsatzentscheidung getroffen. Mit dem Urteil vom 25. November 2015 – IV ZR 277/14 - wurde der Versicherungswirtschaft ein ordentlicher Dämpfer verpasst. In dem Fall ging es um Zahlung von Berufsunfähigkeitsrenten, die einer Witwe aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) ihres im August 2013 verstorbenen Ehemannes zustanden.

Der Fall: Abschluss der BUZ im März 2002 - mit unrichtigen Gesundheitsangaben

Über den Arbeitgeber des Ehemannes wurde ursprünglich eine Lebensversicherung als Gruppenversicherung zugunsten des Ehemannes abgeschlossen und zum April 2002 um eine BUZ-Police erweitert. Im Rahmen dieser Erweiterung führte die Versicherung die übliche sogenannte Risikoprüfung durch. In einem Antragsbogen wurden dazu im Februar 2002 die klassischen Fragen zu Arztbesuchen, Vorerkrankungen, Operationen und Medikamenten gestellt.

Der Ehemann kreuzte alle Gesundheitsfragen mit „Nein“ an, dies obwohl er bereits seit Jahren an der Parkinson-Krankheit litt und auch deswegen in Behandlung war.

Die Parkinson-Erkrankung wurde im Laufe der Jahre immer schwerwiegender, hinzu kam 2008 noch ein Hirntumor. Der Ehemann wurde deshalb berufsunfähig.

Im Januar 2012, also nicht ganz zehn Jahre nach dem unglückseligen Antragsbogen mit der unrichtigen Antwort auf die Gesundheitsfragen, informierte der Ehemann die Versicherung über seine Berufsunfähigkeit und beantragte damit erstmalig Leistungen aus dieser Berufsunfähigkeitsversicherung. Hierbei gab er an, dass er seit 1990 an Morbus Parkinson und seit Juli 2008 an einem Hirntumor erkrankt sei.

Anfechtung des Versicherers erfolgte erst im Juli 2012 - nach Ablauf der 10-Jahresfrist

Versicherungen haben häufig bemerkenswert viel Zeit bei der Leistungsprüfung, die Versicherten hingegen meistens nicht. Darunter zu leiden haben oft die berufsunfähigen Versicherten, die über einen langen Zeitraum hinweg auf das Geld als Einkommensausgleich warten müssen und nichts machen können.

Im Fall der verheimlichten Parkinson-Erkrankung aber bummelte die Versicherung zu ihrem eigenen Nachteil: Erst sechs Monate nach dem Leistungsantrag des Ehemannes, nämlich im Juli 2012, und somit zehn Jahre plus fünf Monate nach der falschen Antwort auf die Gesundheitsfragen im Februar 2002, erklärte die Versicherung nun eilig die Anfechtung und war der Meinung, dass der Witwe als Erbin wegen der arglistigen Täuschung des Ehemannes nichts zustehe. Die Leistungen wurden abgelehnt, es sollte also weder rückständige BU-Rente, noch eine Erstattung der jahrelang gezahlten Beiträge geben.

Die Witwe wollte dies nicht hinnehmen. Sie war der festen Meinung, dass ihr verstorbener Ehemann nicht arglistig getäuscht habe. Auch vertrat sie die Ansicht, dass die Anfechtungserklärung der Versicherung zu spät sei. Sie klagte sich durch alle Instanzen und blieb beharrlich.

Sowohl das Landgericht Stuttgart als auch das Oberlandesgericht Stuttgart gaben aber der Versicherung Recht und hielten die Anfechtungserklärung der Versicherung noch für rechtzeitig, obwohl die 10-Jahresfrist für eine solche Anfechtungserklärung bereits seit Februar 2012 verstrichen war. Doch die Witwe gab nicht auf, sie wollte eine höchstrichterliche Klärung und ersuchte bei dem höchsten deutschen Gericht eine richtungsweisende Entscheidung. Und die Rechnung ging auf.

BGH entschied: Anfechtungserklärung der Versicherung zu spät - nach zehn Jahren ist Schluss!

Der BGH folgte den Instanzgerichten in Stuttgart nämlich nicht. Er fand klare Worte für eine Sachlage, die schon längere Zeit die unterschiedlichsten Gerichtsentscheidungen bei den Zivilgerichten in Deutschland hervorbrachte:

Die in § 21 Abs. 3 VVG getroffene Fristenregelung für die Wahrnehmung der Rechte des Versicherers aus § 19 Abs. 2 – 4 VVG ist auf die für die Arglistanfechtung geltende Zehn-Jahres-Frist des § 124 Abs. 3 BGB und die Rechtsfolgen ihrer Versäumnis ohne Einfluss.

(BGH, Urteil vom 25.11.2015 – IV ZR 277/14)

Im Klartext: Die absolute Anfechtungsfrist beträgt zehn Jahre. Ein darüber hinausgehendes unbefristetes Anfechtungsrecht besteht nicht. Die Versicherung muss sich damit abfinden, dass der Vertrag weiter besteht und muss dann auch bei Berufsunfähigkeit die vollen Leistungen erbringen.

Arglistige Täuschung als Ablehnungsgrund bei Versicherungen sehr beliebt

Leistungsanträge von Versicherten wegen einer vorgeblichen arglistigen Täuschung abzulehnen, das erfreut sich äußerster Beliebtheit bei Berufsunfähigkeitsversicherungen. Nicht selten erscheint der Anfechtungsgrund regelrecht an den Haaren herbeigezogen und konstruiert, das haben viele Versicherte bereits erkannt.

Was viele aber noch nicht wissen: Die sogenannte Beweislast für arglistiges Handeln des Versicherungsnehmers liegt bei der Versicherung! Also nicht etwa der berufsunfähige Versicherte muss sich darum kümmern, den Vorwurf der Arglist zu entkräften. Die schwierige Aufgabe, eine absichtsvolle Lüge, genannt Arglist, vor Gericht zu beweisen, liegt stets bei der Versicherung und deren wehrhaften und kampferprobten Rechtsanwälten.

Ablehnungsschreiben immer von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht überprüfen lassen!

Wenn berufsunfähige Versicherungsnehmer nicht mehr arbeiten können und von der Versicherung Berufsunfähigkeitsrenten verweigert werden, dann sollten Betroffene das nie einfach so hinnehmen. Hier gibt es vieles zu beachten und die Sache sollte daher immer von einem echten Spezialisten anwaltlich geprüft werden.

Der hier beschriebene Fall zeigt, wie wichtig es ist, sich fachlich qualifizierten Rat zu holen und nicht einfach aufzugeben. Denn gerade jetzt durch diese neue Rechtslage stellt sich mittlerweile nicht nur die Frage, ob überhaupt ein Anfechtungsgrund vorliegt. Vielmehr muss man auch genau darüber nachdenken, ob die Anfechtung des Versicherers zeitlich überhaupt noch möglich sein kann, oder ob der Zeitraum der 10-Jahresfrist seit Antragsstellung nicht schon überschritten wurde!

Um sich selbst nicht unnötig mit quälenden Fragen zu belasten, sollte man frühzeitig einen Fachanwalt für Versicherungsrecht mit Expertise im Personenversicherungsrecht einschalten. Scheuen Sie nicht den Weg zum spezialisierten Anwalt, ein Branchenkenner kennt nicht nur die Rechtslage, sondern auch alle Kniffe und Tricks der Versicherungen.

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Sollten Sie den Eindruck haben, dass in Ihrem Fall schon alles schief gelaufen ist und dass Sie gegen Ihre Versicherung keine Chance mehr haben, lassen Sie sich nicht entmutigen. Unsere Fachanwälte für Versicherungsrecht sind seit Jahren auf Berufsunfähigkeitspolicen spezialisiert. Für Sie finden wir möglicherweise doch noch einen Weg und helfen dabei, Verträge zu retten und Rentenzahlungen zu erzwingen.