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Myalgische Enzephalomyelitis bzw. Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS)

Private Berufsunfähigkeitsrente und gesetzliche Erwerbsminderungsrente

Von den Fachanwälten für Versicherungsrecht und Medizinrecht, Almuth Arendt-Boellert und Joachim Laux, Partner bei Laux Rechtsanwälte PartGmbB, Berlin

In der Ursachenforschung zum Krankheitsbild Myalgische Enzephalomyelitis bzw. Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) hat sich in letzter Zeit viel getan. Wissenschaft und Forschung kamen voran. Das ist der Standhaftigkeit der Betroffenen, dem unermüdlichen Einsatz engagierter Ärzte und Anwälte und sicher auch dem Engagement Ehrenamtlicher wie dem Fatigatio e.V. zu verdanken.

Dennoch erfährt ME/CFS in der Medizin bislang noch immer nicht die notwendige Beachtung und Anerkennung. Betroffene und deren Angehörige kämpfen in unzähligen Fällen für die Anerkennung der Leiden und müssen dabei häufig viel Kraft und Geld für aufreibende Auseinandersetzungen, unter anderem mit privaten Berufsunfähigkeitsversicherern, mit speziellen berufsständischen Versorgungswerken und mit der gesetzlichen Rentenversicherung, aufbringen.

Anknüpfend an den Artikel in der Ausgabe ME/CFS-Forum 38/2015 und nach dem lebhaften fachübergreifenden Gedankenaustausch am 24. September 2016 auf der ME/CFS- Fachtagung in Dortmund sowie auf der Jubiläumsfachtagung „25 Jahre Fatigatio e.V.“ am 15. September 2018 in Berlin möchten wir Ihnen aus unserer praktischen Anwaltsarbeit mit ME/CFS-erkrankten Rentenberechtigten berichten. Dabei geht es um rechtliche und praktische Aspekte bei der erfolgreichen Durchsetzung von Berufsunfähigkeitsrenten und Renten wegen voller Erwerbsminderung.

Wir beraten Sie gern persönlich!

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A. Berufsunfähigkeitsrenten bei ME/CFS

Ist eine sichere Diagnose zu ME/CFS erforderlich? Nein!

Versicherer und Versorgungswerke argumentieren bei Leistungsanträgen von berufsunfähigen Versicherten gern damit, dass es an einer konkreten Diagnose fehle und dass Zweifel an einer Erkrankung überhaupt bestünden. Wir sehen das in den Unterlagen unserer Mandanten immer wieder. Vor allem dann, wenn wir bereits laufende Mandate von anderen Rechtsanwälten übernehmen, sehen wir viel vermeidbares Elend.

Die Versicherungen führen die Betroffenen und deren hilflose Anwälte meist damit aufs Glatteis, dass man sie in völlig nebensächliche Diskussionen zu Diagnose und Ursprung der Erkrankung verwickelt. Das führt zu ergebnislosem Papierkrieg, sinnlosem Arbeitsaufwand und vor Gericht zu unnötigen Prozessverzögerungen. Denn eine gesicherte Diagnose nicht erforderlich, was im Übrigen auch den Leistungsabteilungen der Versicherungen bekannt ist.

Der behandelnde Arzt muss lediglich die erkrankungsbedingten Leistungsbeeinträchtigungen, die den Betroffenen an der Ausübung seines Berufes hindern, bestätigen.

Wir wissen aus vielen Akten unserer berufsunfähigen Mandanten mit ME/CFS von einigen orientierten Ärzten aus dem gesamten Bundesgebiet, die sich mit dem Krankheitsbild auskennen und entsprechende Befundberichte ausstellen können. Gerade weil es sich bei Berufsunfähigkeitsrenten um existenzsichernde Leistungen handelt, die der Lebenssicherung dienen soll und daher möglichst wenig Zeit verloren gehen sollte, muss jegliches Hin- und Hergeschreibe zur Diagnose vermieden werden.

Myalgische Enzephalomyelitis bzw. Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS), Private Berufsunfähigkeitsrente und gesetzliche Erwerbsminderungsrente

Muss ich mich vom Gutachter der Versicherung untersuchen lassen?

Berufsunfähige Versicherte müssen nach den Vertragsbedingungen zu ihrer Police spezielle Mitwirkungspflichten, sogenannten Obliegenheiten, beachten. Oft sehen diese vor, dass sich der Versicherte von einem bestimmten Arzt begutachten lassen muss. Das ist häufig nicht nur ausgesprochen unangenehm, sondern eine regelrechte Farce.

Machen wir uns nichts vor: Diese Ärzte und die vorgeblichen "Gutachteninstitute" sind nicht neutral und arbeiten nicht selten für die Interessen der Versicherer, bei der sie auf der Honorarliste stehen. Dennoch müssen berufsunfähige Versicherte diese Untersuchung hinter sich bringen, weil sonst ihre Ansprüche nicht fällig werden. Auch eine Klage hat ohne vorherige Begutachtung schlechte Erfolgsaussicht.

Lassen Sie sich bereits vorgerichtlich von einem kompetenten Anwalt vertreten; dieser wird darauf hinwirken, dass Sie zügig und von einem neurologischen bzw. neuropsychologischen Gutachter exploriert werden. Versuchen Sie, schon den ersten Begutachtungstermin wahrzunehmen. Terminverschiebungen verzögern unnötig die Leistungsprüfung und verlängern so den Antragsprozess.

Wichtig zu wissen: Dieses vorgerichtliche Gutachten der Berufsunfähigkeitsversicherer ist ein sogenanntes Parteigutachten. Also sind die ärztlichen Feststellungen aus diesem Parteigutachten für ein späteres Klageverfahren nicht bindend. Kompetente Gerichte (siehe folgender Absatz) bewerten Parteigutachten "mit spitzen Fingern" und holen stets eigene Prozessgutachten gerichtlicher Sachverständiger ein.

Welches Gericht sollte über meine Klage entscheiden?

Die Auswahl des Gerichtes ist für berufsunfähige Versicherte ein extrem wichtiger Punkt. Viele Landgerichte in Deutschland haben nämlich keine Spezialkammern für Versicherungsrecht. Die dortigen Richter kennen sich mit Berufsunfähigkeitsversicherungen nicht aus und haben noch nie etwas von ME/CFS gehört. Vor so einem Gericht stehen Ihre Chancen schlecht.

Fachanwälte mit vertiefter Prozesserfahrung im Versicherungsrecht wissen genau, bei welchem Landgericht man vorzugsweise klagt und bei welchem Gericht man es tunlichst vermeiden sollte. Denn Sie haben die Wahl: Entweder Sie klagen vor dem Landgericht Ihres Wohnsitzes oder vor dem Landgericht, welches für den Firmensitz der Versicherung mit Haupt- oder Zweigstelle zuständig ist.

Auch wenn sich das Prozessgericht nicht in Ihrer Wohnnähe befindet, sollten Sie den Empfehlungen des orientierten Fachanwaltes folgen und - wenn nötig - lieber vor einem weiter entfernt liegenden Landgericht Klage erheben. Mühe, Zeitaufwand und Reisekosten lohnen sich!

B. Was sollten Sie mit ME/CFS bei der Erwerbsunfähigkeitsrente beachten?

Was ist (volle) Erwerbsminderung, § 43 Abs. 2 SGB VI ?

Berufsunfähigkeit in der privaten Versicherung ist etwas völlig anderes als Erwerbsunfähigkeit im System der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Bei der Erwerbsunfähigkeit werden höhere Anforderungen an die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Betroffenen gestellt:

  • Bei Berufsunfähigkeit in der privaten Versicherung genügt es, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitsleistung nicht mehr möglich sind.
  • Bei der Erwerbsunfähigkeit im System der deutschen Rentenversicherung (DRV) muss der voll Erwerbsgeminderte krankheitsbedingt nicht einmal mehr als drei Stunden täglich leistungsfähig sein.

Ist also beispielsweise ein CFS-Erkrankter gesundheitlich aufgrund des Erschöpfungszustandes gezwungen, seine bisherige Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden mit täglich vier Arbeitsstunden und mehreren Arbeitspausen zusätzlich zu reduzieren, ist er wohl berufsunfähig, aber nicht voll erwerbsgemindert.

Daneben stellt der Rentenversicherungsträger nicht nur auf die zuletzt ausgeübte konkrete Berufstätigkeit, sondern auf jede Tätigkeit ab, die der Versicherte mit seinen Fähigkeiten und Kenntnissen noch ausüben könnte. Wer also in der Lage ist, vier Stunden täglich einfachste Büroarbeit zu verrichten oder als Pförtner tätig zu sein, erhält keine Leistungen wegen voller Erwerbsminderung.

Wie gehe ich vor, wenn ich das Gefühl habe, voll erwerbsgemindert zu sein?

Wenn Sie ein ärztliches Attest haben, das Ihnen ein sog. Restleistungsvermögen von täglich weniger als drei Stunden bescheinigt, sollten Sie - unter Vorlage des Attests - Rente wegen voller Erwerbsminderung bei der DRV beantragen.

Muss ich den Gutachter aufsuchen, den mir die DRV benennt?

Üblicherweise veranlasst die DRV eine Begutachtung nach Antragstellung der Erwerbsminderungsrente. Diese sollten Sie wahrnehmen, auch wenn Ihnen dies erkrankungsbedingt schwerfällt. Legen Sie dabei qualifizierte Befunde der behandelnden Ärzte bei dem DRV-Gutachter vor. Auch im Sozialgerichtsverfahren ist dieses Gutachten nur Parteigutachten und wird nur eingeschränkt beachtet. Im Sozialgerichtsverfahren wird das Gericht einen gerichtlichen Sachverständigen beauftragen und der Begutachtungsprozess geht von vorne los.

Was tun, wenn der Rentenantrag abgelehnt wurde?

Gegen den Ablehnungsbescheid sollten Sie fristwahrend Widerspruch einlegen. Hierfür genügen zwei Sätze:

"Hiermit lege ich Widerspruch gegen den Bescheid vom (Datum) ein. Der Bescheid ist rechtswidrig, weil er meine gesundheitlichen Beschwerden und Beeinträchtigungen nicht zutreffend berücksichtigt."

Eine weitere Begründung ist nicht erforderlich, kann aber hilfreich sein, wenn sie durch neue ärztliche Atteste unterlegt wird. Auf Ihren Widerspruch wird die DRV entweder die Rente zusprechen (Abhilfebescheid) oder den Widerspruch zurückweisen. Dies muss innerhalb von drei Monaten geschehen. Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid ist dann innerhalb eines Monates bei dem Sozialgericht Ihres Wohnorts zu erheben. Suchen Sie am besten einen Fachanwalt für Sozialrecht in Ihrer Nähe. Das erspart Ihnen anwaltliche Reisekosten und teure Stundenhonorare von Anwälten, deren Kanzlei weit entfernt von Ihrem Sozialgericht liegt.

C. Zuletzt unser Rat für Sie

Sowohl Berufsunfähigkeitsrenten wie auch Erwerbsminderungsrenten sind von existenzieller Bedeutung, sie dienen der Lebenssicherung. Sie sichern über Jahre oder gar Jahrzehnte Ihre wirtschaftlichen Umstände ab, indem sie unter anderem Einkommensverluste abmindern oder gar verhindern. Gehen Sie daher keine unnötigen Risiken ein und lassen Sie Unnötiges im Antragsprozess beiseite, das spart Ihre Zeit und Ihre Kraft!

Im Rahmen verschiedener Diskussionen wurde die Idee vorgetragen, es könne hilfreich sein, wenn Betroffene bei den Auseinandersetzungen mit ihrer privaten oder gesetzlichen Versicherung Gerichtsentscheidungen aus anderen Fällen zitieren oder auf entsprechende Urteile verweisen.

Wir halten das nicht für zielführend, weil Zitate und diesbezügliche Argumente Versicherer praktisch nie überzeugen. Die beruflichen und gesundheitlichen Umstände ME/CFS-Erkrankter sind nie gleich und stets als Einzelfall zu betrachten. Selten passt ein Urteil / ein Gerichtsentscheid auf einen anderen ME/CFS-Fall.

Zudem birgt das Zitieren von Urteilen die Gefahr, sich in den Fallstricken der Argumentation der auf Ablehnung und Verzögerungstaktik geschulten Sachbearbeiter der Versicherer zu verfangen. Die Rechtsmaterie ist komplex, hier sollte man nicht ohne das notwendige Fachwissen agieren.

Wir empfehlen daher vielmehr: Holen Sie sich kompetente Hilfe! Lassen Sie sich frühzeitig - idealerweise schon bevor Sie überhaupt mit dem Versicherer in Kontakt treten bzw. das Rentenverfahren beginnen, spätestens jedoch bevor Sie klagen - von einem spezialisierten Anwalt beraten und vertreten. Keinesfalls sollten Sie den Kampf "David gegen Goliath" alleine aufnehmen, denn Sie haben Beistand nötig und verdient! Wichtig für Ihren Erfolg sind belastbare medizinischen Unterlagen und eine passend auf Ihre individuelle Situation maßgeschneiderte Strategie.

Anlaufstellen für ME/CFS Erkrankte

Weitere Informationen über die Krankheit sowie Hilfeangebote finden Sie auf folgenden Seiten:

Anwaltliche Hilfe im Versicherungsrecht bei ME/CFS

Rechtsanwälte Joachim Laux und Almuth Arendt-Boellert: Fachanwälte für Versicherungsrecht und Medizinrecht. Die "Geheimwaffe" für Mandanten, wenn private Unfall- oder Krankenversicherungen Zahlungen oder Leistungen verweigern. Wenn es um die Anerkennung von Berufsunfähigkeiten durch private Berufsunfähigkeitsversicherer geht, werden sie zu leidenschaftlichen Kämpfern mit viel Prozesserfahrung, die grundsätzlich nur auf der Versichertenseite aktiv sind und niemals auf der Versicherungsseite. Zudem sind sie spezialisiert auf Schadensrecht bei Personenschäden.

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Joachim Laux, Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht und Almuth Arendt-Boellert, Fachanwältin für Medizinrecht und Versicherungsrecht