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220.000,00 € Schmerzensgeld nach fehlender Risikoaufklärung

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld aufgrund fehlender Risikoaufklärung besteht. Vor medizinischen Heilbehandlungsmaßnahmen muss der Arzt den Patienten über die Risiken der Behandlung aufklären. Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass er selbst auf extrem seltene Risiken hinweisen muss, wenn diese Risiken im Falle ihrer Verwirklichung die Lebensführung des Patienten schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch sind.

Bei fehlender bzw. unzureichender Aufklärung ist der Eingriff mangels wirksamer Einwilligung des Patienten rechtswidrig. In diesem Fall haftet der behandelnde Arzt bzw. die Klinik ebenso wie bei einem Behandlungsfehler auf Schadenersatz.

Extrem seltene Risiken nach Koloskopie

Mit einem Fall unzureichender Risikoaufklärung hatte sich kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm zu befassen (26 U 85/12). Der dortige Kläger hatte sich wegen Darmblutungen einer zu Diagnosezwecken durchgeführten Koloskopie unterzogen, in deren Folge es zu einer Perforation der Darmwand kam.

Infolge der Darmwandverletzung hatte sich eine Bauchfellentzündung entwickelt, welche während der mehrmonatigen z.T. intensivmedizinischen stationären Weiterbehandlung 19 Bauchraumspülungen erforderte.

Im postoperativen Verlauf musste sich der Kläger zudem aufgrund der Entwicklung mehrerer Dekubiti einer Hauttransplantation und mehreren chirurgischen Wundtoiletten unterziehen. Zudem musste eine während des Krankenhausaufenthaltes erlittene Spitzfußstellung mit einer Peronaeusschiene behandelt werden.

Aufklärungsbogen reichte als Risikoaufklärung nicht

Nachdem der Kläger in erster Instanz unterlegen war, sprach ihm das OLG Hamm wegen des komplikationsträchtigen Krankheitsverlaufes ein Schmerzensgeld in Höhe von 220.000,00 € zu. Dem Arzt war es nicht gelungen zu beweisen, den Kläger ordnungsgemäß über das (seltene) Risiko einer Darmwandverletzung und die hieraus resultierende Gefahr einer Bauchfellentzündung mit der notwendigen Folge einer operativen Sanierung aufgeklärt zu haben.

Das Gericht ließ es im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ausreichen, dass der Kläger einen Aufklärungsbogen unterschrieben hatte. Denn die Unterzeichnung derartiger Schriftstücke beweise nicht, dass der Patient sie auch gelesen und verstanden habe, geschweige denn, dass der Inhalt mit ihm erörtert wurde.

Auch mithilfe der in dem Verfahren als Zeugin vernommenen Arzthelferin gelang dem Arzt der notwendige Beweis nicht. Denn die Zeugin konnte sich nicht mehr an das konkrete Gespräch erinnern. Darüber hinaus hatte sie bekundet, dass der Arzt üblicherweise nicht auf die Lebensbedrohlichkeit einer Darmverletzung hinweise. Daher sah es das OLG nicht als erwiesen an, dass der Kläger über die Tragweite seiner Einwilligung hinreichend informiert worden war.

Den in Arzthaftungsprozessen klassischen Einwand des behandelnden Arztes, dass sich der Kläger sicher auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für den Eingriff entschieden hätte, hielt das OLG ebenfalls für nicht erwiesen. Denn der Kläger hatte nachvollziehbar dargelegt, dass er sich im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung zumindest eine Zweitmeinung von einem anderen Arzt eingeholt hätte.

Vorwurf fehlender Risikoaufklärung hat hohe Relevanz

Der Vorwurf fehlender Risikoaufklärung -wie z.B. auch der Einwand fehlender Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden- ist in Arzthaftungsprozessen von ebenso großer Relevanz wie die Behauptung eines Behandlungsfehlers.

Anders als der Behandlungsfehler, der vom Patienten zu beweisen ist, hat der Vorwurf fehlender Aufklärung aus Patientensicht den Vorteil, dass der Arzt die ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten beweisen muss.

In vielen Fällen gelingt ihm dies nicht, da es nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ausreichend ist, wenn sich der Arzt einen Aufklärungsbogen unterzeichnen lässt. Entscheidend ist stets, ob dem Patienten die Tragweite seiner Entscheidung in einem mündlichen Gespräch vor Augen geführt wurde.

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Anwalt für Medizinrecht / Arzthaftung bei fehlender Risikoaufklärung einschalten

Wegen der in Arzthaftungsprozessen besonderen Beweislastverteilung und der notwendigen Kenntnis der umfangreichen Rechtsprechung auf diesem Gebiet ist es dringend ratsam, sich bei Aufklärungsversäumnissen und vermuteten Behandlungsfehlern an einen einschlägig erfahrenen Anwalt für Medizinrecht zu wenden. Als auf Arzthaftungsangelegenheiten spezialisierte Kanzlei unterstützen wir Sie gerne bei der erfolgreichen Geltendmachung Ihrer Ansprüche.

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