Startseite › Herzschlag von Kind und Mutter verwechselt – 500.000 € Schmerzensgeld
Erleidet ein Kind einen schweren Hirnschaden, weil die behandelnde Ärztin während der Geburt dessen Herzschlag mit dem der Mutter verwechselt, stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar, der zu einem Schmerzensgeld-Anspruch in Höhe von 500.000 € und dem Ausgleich sämtlicher schädigungsbedingter Vermögensschäden führt.
Das CTG (Herztonwehenschreibung) zählt zu den Standarduntersuchungen, um während der Entbindung die Gesundheit des Babys zu überwachen. Sobald regelmäßige, starke Wehen auftreten, wird in regelmäßigen Abständen (ca. einmal pro Stunde) bis zur Geburt ein CTG erstellt. Hierbei werden sowohl die Herztöne des Babys aufgezeichnet als auch die Wehentätigkeit bei der Mutter.
Zum Teil kommt es auch vor, dass die Herztöne der Mutter ebenfalls angezeigt werden, was ein erfahrener Arzt jedoch erkennt und genau unterscheiden kann. Die Aufzeichnung selber dauert jeweils ca. 30 Minuten und erlaubt dem Arzt so, sicherzustellen, dass es dem Baby trotz des Stresses durch die Wehen gut geht.
Schwankungen der Herzfrequenz sind normal, sollten sich aber nach max. 10 Minuten wieder regulieren.
In hiesigem Fall jedoch kam es zu einem folgenschweren Irrtum. Die Herzfrequenz (Herzschläge pro Minute) des ungeborenen Kindes fiel 45 Minuten vor der geplanten Entbindung stark ab, weshalb dessen Körper und insbesondere das Gehirn mit Blut und Sauerstoff nicht mehr ausreichend versorgt wurden. Das Wehenmessgerät CTG, welches neben den Wehen der Mutter auch die Herztöne des Kindes misst, zeichnete in diesem Zeitraum für 10 Minuten weder den Herzschlag des Kindes noch den der Mutter auf. Als nach 10 Minuten wieder ein Herzschlag mit normgerechter Frequenz erfasst werden konnte, hielt die behandelnde Ärztin diesen für den Herzschlag des Kindes.
Tatsächlich handelte es sich um den Herzschlag der Mutter. Ein folgenschwerer Irrtum. Denn als die Ärztin ihren Fehler endlich bemerkte und reagierte, war das Gehirn des Kindes durch die Sauerstoffunterversorgung bereits erheblich geschädigt. Die inzwischen 8-jährige Klägerin ist schwerstbehindert und wird lebenslang auf fremde Hilfe angewiesen sein.
Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens entschieden sowohl das Landgericht Osnabrück wie auch das Oberlandesgericht Oldenburg (Urteil vom 13. November 2019 - 5 U 108/18 -) im Sinne der Klägerin. Der Sachverständige stellte fest, dass die Ärztin in Anbetracht des kindlichen Herzfrequenzabfalls hätte abklären müssen, ob sich der Herzschlag des Kindes tatsächlich stabilisiert hat. Keinesfalls hätte sie sich angesichts der bedrohlichen Situation über einen Zeitraum von zehn Minuten mit einem nicht aussagekräftigen CTG zufrieden geben dürfen.
Weil die Beklagten (Krankenhaus + Ärztin) bereits aus diesem Grund hafteten, musste sich das Oberlandesgericht Oldenburg mit den weiteren Vorwürfen gegen die Klinik:
nicht weiter auseinandersetzen.
Das Berufungsurteil des OLG Oldenburg zeigt, welche schwerwiegenden Auswirkungen eine fehlerbehaftete und unsorgfältige Geburtshilfe bei mangelhafter CTG-Überwachung hat. Ob das ausgeurteilte Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 € angemessen ist, darf vor dem Hintergrund der taggenauen Schmerzensgeldberechnung des OLG Frankfurt (Urteil vom 18. Oktober 2018 - 22 U 97/16 -) und des LG Aurich (Urteil vom 23. November 2018 - 2 O 165/12) bezweifelt werden.
Auch der hohe Grad der Schädigung sollte zur Berechnung des Schmerzensgeldes herangezogen werden. Das Landgericht Gießen hat in einem Fall mit ähnlich schwerer Schädigung ein Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 € als angemessen erachtet (Urteil vom 06. November 2019 - 5 O 376/18).
Erneut zeigt dieser tragische Fall, wie wichtig sowohl die Sicherstellung der Einhaltung des ärztlichen Standards als auch eine kompetente und erfahrene rechtliche Vertretung in einem Geburtsschadensfall ist. Einer erfahrenen Ärztin muss im Rahmen einer Geburt klar sein, dass sie sich angesichts des kindlichen Herzfrequenzabfalls auf andere Weise davon hätte überzeugen müssen, dass es dem Kind gut gehe. Keinesfalls hätte sie sich in einer solch bedrohlichen Situation über einen Zeitraum von 10 Minuten mit einem nicht aussagekräftigen CTG zufrieden geben dürfen.
Hierbei handelt es sich um einen groben Behandlungsfehler, also einem Fehler, welcher aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint. Um die rechtlichen Hintergründe in solch einem Fall prüfen zu lassen und die bestehenden Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgelder geltend zu machen, sollten Sie sich in jedem Fall an einen Spezialisten für Geburtsschaden wenden.
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Redaktion Medizinrecht
Rechtsanwalt Joachim Laux: Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht. Gründer und Partner der Kanzlei Laux Rechtsanwälte, Berlin. Spezialisiert auf Behandlungsfehler, Ärztepfusch, Schadensrecht bei schweren und schwersten Unfällen sowie Zahlungs-/Leistungsverweigerungen von Versicherungen. Bekannt aus zahlreichen TV-Interviews. Kontakt aufnehmen